Mann und Frau diskutieren

Frauen- und Männerkommunikation unterscheiden sich wie zwei Fremdsprachen

Frauen kommunizieren anders als Männer. Wann hattest du dein letztes Missverständnis mit einer Person des anderen Geschlechts? Ich wette, es liegt noch nicht lange zurück.
Die unterschiedlichen Kommunikationsstile von Männern und Frauen führen nicht nur zu Missverständnissen – sie stellen für Frauen häufig auch eine Karrierebremse dar, ohne dass sie sich dessen bewusst sind. Es wird eine Menge über die gläserne Decke gesprochen, die für viele Frauen unüberwindbar scheint, wenn es darum geht, auf der Karriereleiter einer von Männern dominierten Arbeitswelt nach oben zu steigen. Begründet wird die gläserne Decke gern mit der Teilzeitarbeit von Frauen, die nicht mit den Erreichbarkeitsanforderungen an Führungskräfte kompatibel sei, oder mit den Seilschaften von Männern, die Frauen den Aufstieg verwehren. Dass die gläserne Decke zu einem guten Teil von den Unterschieden zwischen Frauen- und Männerkommunikation geprägt und weiter verstärkt wird, ist nur selten Teil der Diskussion.
Die amerikanische Linguistin Deborah Tannen hat seit den 1980er-Jahren die Unterschiede zwischen Frauen- und Männerkommunikation untersucht. Sie bezeichnet den Austausch zwischen Männern und Frauen als »interkulturelle Kommunikation« und ist der Ansicht, »dass Männer und Frauen statt verschiedener Dialekte verschiedene Genderlekte sprechen«. Können wir den Kommunikationsstil des jeweils anderen Geschlechts dann wie eine Fremdsprache lernen? Und ist das überhaupt sinnvoll, dass Frauen wie Männer kommunizieren und umgekehrt?
Tatsächlich hat jeder der Kommunikationsstile seine besonderen Qualitäten, die nicht in der Natur des jeweils anderen Geschlechts liegen. Deborah Tannen ging es in ihrer Forschung nicht darum, die Unterschiede zu bewerten, sondern sie bewusst zu machen, um den anderen in der Zusammenarbeit besser verstehen zu können. Wenn wir verstehen, warum unser Gegenüber anders handelt als wir es tun würden, können wir konstruktiver mit der Situation umgehen.

Frauen prahlen nicht gern mit ihren Leistungen, Männer finden es völlig normal, ihre Leistungen hervorzuheben

Frauen haben häufig Hemmungen, Anerkennung einzufordern oder sich selbst zu loben, was vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass uns von klein auf eingetrichtert wird, dass Bescheidenheit eine Zier sei. In meinem Poesiealbum finden sich mehrere Sprüche vom Kaliber »Sei wie das Veilchen im Moose, bescheiden, sittsam und rein, nicht wie die stolze Rose, die immer bewundert will sein«. Ich bezweifle, dass gleichaltrigen Jungen solche Ratschläge mit auf den Weg gegeben wurden.
Im Gegenteil: Jungen werden von klein auf angefeuert, sich im Wettbewerb mit anderen durchzusetzen, und so ist es nicht verwunderlich, dass die meisten Männer so gut darin sind, sich selbst im besten Licht zu präsentieren. Wenn Männer in einem Team arbeiten, übernehmen sie gern die Präsentation der Ergebnisse und erwecken damit den Eindruck, dass sie selbst federführend waren. Wenn Frauen in einem Team arbeiten, verstehen sie das Ergebnis als Teamleistung und halten es nicht für nötig, ihre eigene Rolle herauszustellen.

Frauen und Männer besprechen sich in einem Meetingraum

Männer sind nicht nur im Selbstmarketing besser, sie treten meistens auch selbstbewusster auf als Frauen. Frauen nehmen sich häufig zurück und machen sich klein, um Harmonie herzustellen oder zu bewahren. Sie zögern lange, bevor sie den Sachvortrag eines Mannes unterbrechen, während Männer keine Hemmungen haben, Frauen zu unterbrechen – wofür der Begriff „Manterrupting“ geprägt wurde.
Ein ähnliches Beispiel ist die Situation, die jede Frau kennt: Sie macht in einem Meeting einen Vorschlag, auf den niemand reagiert. Kurz darauf präsentiert ein Mann ihre Gedanken als seine Idee und plötzlich gehen alle anderen darauf ein. Was mag der Grund sein für diese universelle Erfahrung?

Frauen benutzen eine sehr komplexe, häufig indirekte Sprache, Männer drücken sich einfacher und direkter aus

Frauen nutzen vielfach Konjunktiv-Formulierungen und andere »Weichspüler«, die ihre Aussagen abschwächen und unklar machen. Dadurch wirkt die Sprecherin weniger entschlossen und selbstbewusst. Leitet frau eine Aussage mit einem leisen »Vielleicht könnten wir …« ein, klingt das erheblich weniger überzeugend als ein lautes »Wir müssen unbedingt …«.
Auch Bitten äußern Frauen häufig nur indirekt, weil sie niemandem vorschreiben wollen, etwas zu tun. Direkte Befehle geben die meisten Frauen ungern. Sie wollen Entscheidungen lieber gemeinsam treffen, indem sie Konsens erzielen.
Frauen spielen häufig Ratespiele, anstatt direkte Forderungen zu stellen, und sind enttäuscht, wenn der Mann nicht hellsehen kann, was sie eigentlich wollen, sondern stattdessen gegen ihren Willen handelt. Männer fühlen sich dagegen manipuliert, wenn eine Frau nicht direkt sagt, was sie will, sondern »hintenrum« agiert, denn eine solche indirekte Kommunikation widerspricht vollkommen dem männlichen Denken.

Mann erklärt einer Frau etwas

Männer drücken sich gern fokussiert, klar und direkt im Indikativ aus. Sie sagen ganz deutlich, was sie meinen und was sie wollen. Die Sätze eines Mannes sind kurz, direkt und konzentrieren sich auf das Wesentliche. Frauen können sich darauf verlassen, dass ein Mann meint, was er sagt.
Spricht ein Mann seine Forderung als Befehl aus, stößt das wiederum Frauen auf, die lieber gefragt als angewiesen werden wollen und einen Befehlston als militärisch empfinden.

Frauen wägen länger ab, Männer handeln schnell

Frauen sind »Sprechdenkerinnen«; sie denken laut und entwickeln ihre Gedanken beim Sprechen. Die meisten Frauen sind perfektionistisch veranlagt. Sie wollen Fehler vermeiden, weshalb sie ständig die Sache oder ihre eigene Person hinterfragen und mit dem Sprechdenken andere an ihrem Erkenntnisprozess teilhaben lassen. Männer steigen bei längeren Gedankenspielen jedoch aus. Sie wollen nicht den Denkprozess begleiten, sondern sind an dessen Ergebnis interessiert, da das ihrem eigenen Vorgehen entspricht. Männer ziehen sich zur Problemlösung zurück und kommunizieren lediglich das Ergebnis ihrer Überlegungen.
Zahlreiche Studien haben inzwischen belegt, dass Teams, in denen sich sowohl die Kommunikations- als auch die Führungsfähigkeiten von Männern UND Frauen ergänzen, nachhaltiger produktiv sind als Teams, die nur von einem Kommunikations- und Führungsstil geprägt sind.

Zweisprachig zum Erfolg

Es geht nicht darum, dass Frauen lernen, wie Männer zu sprechen, oder dass Männer lernen, wie Frauen zu sprechen, sondern zu verstehen, wie unterschiedlich unser Konversationsstil ist und dieses Wissen für eine für alle zufriedenstellende Kommunikation einzusetzen.
Die Linguistin Deborah Tannen kam zu folgendem Fazit ihrer Studien: »Beide, Frauen und Männer, könnten davon profitieren, vom Stil des anderen zu lernen. Viele Frauen könnten von Männern lernen, etwas konfliktfreudiger zu werden und Unterschiede zu akzeptieren, ohne sie als Bedrohung der Intimität zu empfinden. Und viele Männer könnten von Frauen lernen, eine gegenseitige Abhängigkeit zu akzeptieren, ohne darin eine Bedrohung ihrer Freiheit zu sehen.«

Mann und Frau geben einander die Hand

Wenn wir die jeweils anderen Qualitäten erkennen und stärken, können gemischte Teams insgesamt nur gewinnen, wenn beispielsweise weibliche Empathie und Sachorientierung mit männlicher Entscheidungsfreude und Durchsetzungskraft gepaart werden.
In weiten Teilen ist unsere heutige Arbeitswelt immer noch sehr männlich geprägt. Deshalb besteht für Männer kaum Anlass, etwas an ihrer Kommunikation zu verändern – für sie läuft es ja bestens. Doch was könnten sie erreichen, wenn sie bereit wären, nicht nur mehr Frauen in höhere Hierarchieebenen aufsteigen zu lassen, sondern auch deren Sprache besser verstehen zu lernen?
Aktuell sind es eher die Frauen, die sich Wissen über die Unterschiedlichkeit der Kommunikationsstile und Techniken aneignen, um sich in der Kommunikation mit Männern besser zu behaupten. Wenn Frauen männliches Kommunikationsverhalten durchschauen und selbst männliche Strategien anwenden können, fällt es ihnen viel leichter, sich in einem männlich geprägten Umfeld durchzusetzen. Dafür sollen sie auf keinen Fall ihre typisch weiblichen Strategien aufgeben – sie gewinnen einfach eine weitere Sprache hinzu, sodass sie je nach Anlass und Zielgruppe/-person entscheiden können, welche Strategie am erfolgversprechendsten ist.
Falls du als Frau mehr zu diesem Thema wissen und konkrete Kommunikationstechniken trainieren möchtest, dann lade ich dich herzlich ein zu meinem Seminar »Speak up – Wie du dich als Frau in der Kommunikation mit Männern souverän behauptest«.
Liebe Männer, falls ihr auch Interesse an einem Seminar habt, in dem ihr lernt, wie ihr besser mit Frauen kommunizieren könnt, dann freue ich mich über eine Nachricht!

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