Empathisch zu kommunizieren bedeutet, sich bewusst auf die Gefühlswelt und Perspektive eines anderen Menschen einzulassen – ohne vorschnell zu urteilen oder Lösungen zu präsentieren. Das klingt einfach, ist es aber nicht: Denn wir alle erleben ein und dieselbe Situation auf unsere eigene Weise, gefiltert durch Erfahrungen, Werte, Emotionen und Erwartungen, und wir tendieren dazu zu glauben, dass unsere Wahrnehmung mit der des Gegenübers übereinstimmt.
Stell dir vor, Anna und Ben arbeiten im selben Büro. Ihr Chef sagt im Teammeeting: »Wir müssen effizienter werden.« Anna fühlt sich bedroht und fürchtet um ihren Arbeitsplatz. Ben hingegen fühlt sich motiviert, er sieht in der Aussage des Chefs eine Herausforderung. Dieselbe Situation, zwei völlig verschiedene Erlebnisse.
Empathisch zu kommunizieren bedeutet, diese Unterschiedlichkeit wahrzunehmen und angemessen damit umzugehen.
Empathie ist eine Fähigkeit, die man üben kann. Deshalb will ich hier nicht nur beleuchten, was es bedeutet, empathisch zu kommunizieren, sondern dir auch aufzeigen, wie du deine emotionale Intelligenz trainieren kannst.
Empathisch zu kommunizieren bedeutet, bewusst wahrzunehmen
Im hektischen Arbeitsalltag wird oft mehr geredet als zugehört. Du kannst deinem Gegenüber echte Aufmerksamkeit schenken, indem du aktiv zuhörst – ohne innerlich schon zu antworten, zu bewerten oder Lösungen anzubieten. Aktives Zuhören bedeutet, dein Gegenüber nicht zu unterbrechen, sondern aufmerksam zuzuhören und ihm deine volle Aufmerksamkeit zu schenken, körperlich, geistig und emotional. Durch Nicken und andere körpersprachliche Mittel signalisierst du, dass du der Argumentation folgst. Statt sofort zu reagieren, kannst du nachfragen: »Erzähl mir mehr. Ich möchte verstehen, wie du das erlebt hast.« Oder du paraphrasierst das Gesagte, um sicherzustellen, dass du die Worte deines Gegenübers richtig interpretierst: »Wenn ich dich richtig verstehe, war das für dich enttäuschend?«
Viele Konflikte entstehen, weil wir nicht wirklich zuhören, sondern innerlich schon wieder zu den eigenen Themen schweifen, Gegenargumente formulieren oder auf den nächsten Punkt der To-do-Liste springen. Aktives Zuhören schafft Vertrauen und zeigt: Du bist mir wichtig. Statt nach dem Motto »Ja, das kenne ich, bei mir war das auch so …« selbst das Wort zu ergreifen, sag lieber: »Erzähl mir mehr! Was hat dich in dem Moment besonders bewegt?«. Statt mit einem lapidaren »Das ist doch nicht so schlimm.« die Worte deines Gegenübers zu bewerten und herunterzuspielen, frag lieber: »Wie hast du dich dabei gefühlt?«. Damit gehst du auf die andere Person ein und gibst ihr die Möglichkeit, mehr dazu zu sagen oder sich dir gegenüber weiter zu öffnen.
Beobachte dich bei deinen nächsten Gesprächen selbst: Hörst du wirklich gut zu? Wenn du merkst, dass du dazu tendierst, gar nicht wirklich aufzunehmen, was dein Gegenüber sagt, und das Wort wieder selbst zu ergreifen, ohne auf das Gesagte einzugehen, dann übe das aktive Zuhören, indem du dich dazu zwingst, bei deinen nächsten Gesprächen mindestens fünf Minuten jemand anderem aufmerksam zuzuhören, ohne zu unterbrechen.

Du erfährst noch mehr, wenn du nicht nur auf die gesprochenen Worte achtest, sondern auch die Körpersprache deines Gegenübers liest. Das funktioniert am besten, indem du Blickkontakt hältst und sowohl auf die Körperhaltung, Mimik und Gestik der anderen Person achtest als auch auf deren Tonfall und Stimmlage. Du kannst versuchen, die dahinterliegenden Gefühle zu benennen, doch das ist schwer, wenn du die betreffende Person nicht gut kennst. Dann frag lieber nach!
Um empathisch zu kommunizieren, musst du im Gespräch präsent sein. Vermeide Multitasking und Ablenkungen. Signalisiere deinem Gegenüber (und dir selbst), dass du ganz Ohr bist, indem du den Notebookdeckel zumachst und das Handy weglegst. Sei achtsam gegenüber deiner Gesprächspartnerin oder deinem Gesprächspartner und gegenüber dir selbst. Achtsamkeit bedeutet, mit voller Aufmerksamkeit im Hier und Jetzt zu sein, und zwar mit allen Sinnen. Atme vor einem Gespräch dreimal tief ein und aus, spüre deinen Körper, richte deine Aufmerksamkeit auf dein Gegenüber. Sage dir innerlich vielleicht sogar: »Ich bin ganz da.« Damit fällt es dir viel leichter, dich auf die andere Person zu fokussieren und aufmerksam wahrzunehmen, was gerade geschieht, ohne abzuschweifen oder zu urteilen. Achtsamkeit schafft Raum für echte Begegnung. Sie hilft, nicht automatisch zu reagieren, sondern bewusst zu reflektieren, wie wir kommunizieren.
Die Geheimwaffe empathischer Kommunikation ist der Perspektivwechsel
Wer in der Lage ist, die eigene Perspektive zu verlassen und sich in die Situation des Gegenübers zu versetzen, tut sich leicht, empathisch zu kommunizieren. Frag dich: »Wie könnte die andere Person diese Situation erleben?«, »Wie würde ich mich fühlen, wenn ich in ihrer Lage wäre?« oder »Wie würde ich handeln, wenn ich in ihrer Lage wäre?«
Die Welt durch die Augen des Gegenübers zu sehen hilft, Urteile zu vermeiden und Verständnis zu entwickeln, auch für Verhalten, das wir zunächst nicht nachvollziehen können. Häufig stecken wir viel zu tief in unserer eigenen Wahrnehmung fest und merken erst, wenn wir ein wenig darüber nachdenken, dass andere Sichtweisen genauso eine Berechtigung haben: »Wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich mich wahrscheinlich auch übergangen fühlen.« oder »Wenn ich mich in deine Situation versetze, kann ich verstehen, dass du dich überfordert fühlst.«
Nicht nur im Einzelgespräch, auch in Teams prallen Perspektiven aufeinander: Vertrieb sieht Marketing als Träumer, Marketing empfindet Vertrieb als zu zahlengetrieben. Der Ausweg liegt im bewussten Perspektivwechsel. Frag dich: »Was wäre mir wichtig, wenn ich in der Rolle der anderen Person wäre? Welche Zwänge oder Ziele beeinflussen ihr Verhalten? Was könnte sie brauchen, um entspannter oder konstruktiver zu handeln?«
Geh davon aus, dass du nie die ganze Wahrheit kennst. Wenn du das Gefühl hast, dass du mit einem Perspektivwechsel an Grenzen stößt, dann frag die Person direkt und signalisiere, dass du ihre Situation besser verstehen möchtest. Das öffnet die Tür zu einem konstruktiven Dialog.

Ganz wichtig für den Perspektivwechsel ist die Fähigkeit, die eigenen und die fremden Emotionen wahrzunehmen und sprachlich auszudrücken. Viele Konflikte entstehen, weil wir unsere Gefühle nicht klar wahrnehmen. Statt Gefühle zu benennen (»Ich bin enttäuscht«) äußern wir oft Vorwürfe (»Du kümmerst dich nie!«).
Gefühle wirken oft subtil in Entscheidungen hinein: Ungeduld, Frust, Druck oder Sorge. Bevor wir kommunizieren, sollten wir uns fragen: »Was fühle ich gerade? Welche Emotion bestimmt meine Reaktion? Was bräuchte ich, um ruhiger oder offener zu reagieren?«
Diese Selbstreflexion hilft, Klarheit zu gewinnen und nicht impulsiv zu reagieren. Wer seine eigenen Gefühle kennt, kann sie besser ausdrücken und übernimmt Verantwortung für die eigene Reaktion, statt sie dem anderen zuzuschieben. Die Aussage »Ich bin enttäuscht, weil ich gehofft hatte, dass wir das gemeinsam entscheiden.« konzentriert sich auf die eigene Emotion, anstatt Schuld zuzuweisen. Wer die eigenen Gefühle bewusst wahrnimmt, kann sie auch bewusst lenken.
Doch in einer Kommunikation geht es nicht nur darum, die eigenen Gefühle zu reflektieren, sondern auch die des Gegenübers. Empathisch zu kommunizieren heißt nicht, dass du mit allem übereinstimmst. Es bedeutet, dass du versuchst, nachzuvollziehen, was im anderen vorgeht, also die Emotionen des Gegenübers wahrzunehmen, auch wenn sie nicht ausgesprochen werden. Ein Mitarbeiter sagt: »Das Projekt war ziemlich chaotisch.« Eine empathische Reaktion wäre: »Das klingt, als wärst du dadurch gestresst gewesen.«
Solche Spiegelungen schaffen Vertrauen. Sie zeigen: Ich habe dich gehört, nicht nur deine Worte, sondern auch deine Stimmung. Auch wenn man die Gefühle der anderen Person nicht teilt, kann man sie anerkennen: »Ich kann nachvollziehen, dass dich das verletzt hat, auch wenn ich es anders gemeint habe.«
Empathie im Job ist keine emotionale Übernahme, sondern ein professionelles Mitfühlen. Es geht darum, sich einzufühlen, ohne zu interpretieren.
Empathische Kommunikation wertet nicht und fördert den Dialog durch Offenheit
Unser Gehirn liebt schnelle Urteile: »Das ist falsch«, »Das ist dumm«, »Das stimmt nicht«. Empathische Kommunikation verlangt, diesen Automatismus zu verlangsamen. Anstatt zu sagen: „Du bist immer so unpünktlich!“, beschreibe lieber, was du beobachtest: »Mir ist aufgefallen, dass du in den letzten drei Meetings später da warst. Gibt’s dafür einen Grund?« Das öffnet einen Raum, in dem kein Angriff, sondern Austausch möglich ist. So entsteht ein Gespräch über Ursachen statt über Schuld.
Empathische Kommunikation trennt Beobachtung von Interpretation. Beobachtungen sind neutral. Bewertungen hingegen färben unsere Aussagen emotional und können verletzen. Sie erzeugen Widerstand, lassen den anderen in eine Verteidigungshaltung gehen und verhindern echtes Verstehen. Statt »Das ist doch übertrieben!«, sag lieber: »Ich merke, dass dich das sehr bewegt.«
Nicht bewerten heißt, das Gegenüber nicht in Schubladen zu stecken. Es bedeutet, offen zu bleiben für seine Sichtweise – auch wenn sie sich von unserer unterscheidet. Wer empathisch kommuniziert, wertet die Aussagen, die Gefühle und das Verhalten der anderen Person nicht ab oder relativiert sie durch moralische oder emotionale Bewertungen. Statt eines schroffen »Das ist falsch!«, versuch es lieber mal mit einem offenen »Ich sehe das anders. Darf ich dir meine Sicht schildern?«, das zu einem ernstgemeinten Austausch überleitet.

Möchtest du den Dialog mit deinem Gegenüber vertiefen? Dann stell offene Fragen, z.B. »Wie hast du das erlebt?«, »Was war dir dabei wichtig?« Damit signalisierst du echtes Interesse – das Fundament jeder Empathie. Ja/Nein-Fragen lassen ein Gespräch schnell in einer Sackgasse enden (»Bist du wütend?« »Nein.«), offene Fragen laden hingegen zur Reflexion ein, geben deinem Gegenüber Raum, um sich auszudrücken, und helfen dir, die Perspektive der anderen Person besser zu verstehen (»Wie fühlst du dich gerade damit?«).
Empathische Menschen haben Geduld mit ihrem Gegenüber. Sie wissen, dass manche Themen Zeit brauchen, und geben der anderen Person deshalb genug Raum, um in ihrem Tempo über ihre Gedanken und Gefühle zu sprechen. Gerade in Veränderungsprozessen (neue Rollen, Projekte, Strategien) fühlen sich Menschen unterschiedlich sicher. Empathische Kommunikation respektiert den Prozess des Gegenübers. Und sie verhindert Druck, der die Verbindung zwischen den Gesprächspartner·innen zerstören kann. Signalisiere dein Verständnis: »Ich merke, dass du noch nicht darüber sprechen möchtest. Das ist okay. Ich bin da, wenn du soweit bist.« Wenn jemand zögert zu sprechen, warte bewusst. Zähle innerlich bis zehn, bevor du etwas sagst.
Wer empathisch kommuniziert, kommuniziert positiv
Empathie ist kein endloses Einfühlen. Manchmal heißt empathisch sein auch, Nein zu sagen und Grenzen zu setzen, z.B. indem du sagst: »Ich verstehe, dass du darüber sprechen möchtest, aber ich merke, dass ich dafür gerade nicht die Kraft habe. Können wir morgen weitermachen?«. Ehrlichkeit schafft Vertrauen, dein Gegenüber versteht dann, warum du beispielsweise abblockst. Empathisches Feedback ist konkret, respektvoll und lösungsorientiert. Vermeide emotionale Überidentifikation: Du bist empathisch, das heißt aber nicht, dass du verantwortlich für die Gefühle anderer Personen bist. Du kannst mit einer positiven Kommunikation aber dafür sorgen, dass sie ein Nein von dir verstehen.
Zu einer empathischen Kommunikation kann auch gehören, eigene Erfahrungen zu teilen, um Nähe zu schaffen. Du solltest das allerdings mit Maß tun. Wichtig ist, dass diese Erfahrungen dem anderen dienen – nicht dem eigenen Bedürfnis nach Aufmerksamkeit. Als Führungskraft kannst du z.B. zu einem Mitarbeitenden sagen: »Ich kenne das. Mir fällt es auch schwer, im Stress ruhig zu bleiben. Ich arbeite daran, indem ich kurze Pausen einplane.« Das zeigt nicht Schwäche, sondern zeugt von Reife. Empathische Führung lebt von Offenheit, nicht von Perfektion. Wenn du Situationen teilst, in denen du selbst Fehlentscheidungen oder Zweifel hattest, entsteht Verbundenheit. Du baust damit nicht nur eine Brücke zwischen dir und der anderen Person, sondern zeigst auch einen Lösungsvorschlag für sie auf.
Ein empathisches Team ist nicht konfliktfrei, aber konfliktfähig. Es benennt Spannungen offen, ohne sich gegenseitig zu verletzen. Empathie wächst, wenn Teams regelmäßig reflektieren, wie sie miteinander kommunizieren. Dabei ist etwa ein Stimmungsbarometer hilfreich: Zu Beginn eines jeden Meetings beschreibt jedes Teammitglied in ein oder zwei Sätzen seine aktuelle Stimmung. Oder ihr vereinbart, dass im Team Feedback nur in Ich-Form gegeben wird. Auf diese Weise werden statt Urteilen (»Du bist unstrukturiert«) klare Beobachtungen und Empfindungen geäußert (»Mir fällt auf, dass viele Aufgaben auf den letzten Drücker kommen – das stresst mich«). Das fördert einen konstruktiven Dialog innerhalb des Teams.
Empathisch zu kommunizieren ist keine Technik, sondern eine Haltung. Sie beginnt mit dem Wunsch, den anderen wirklich zu verstehen. Sie braucht Achtsamkeit, Selbstreflexion und den Mut, sich selbst zu zeigen. Und sie verändert Beziehungen nachhaltig – weil sie Nähe schafft, wo vorher Distanz war. In einer Welt, die von Tempo, Algorithmen und Missverständnissen geprägt ist, wird empathische Kommunikation zu einer Art Gegenmittel, das im Kleinen beginnt: im ehrlichen Zuhören, im Nachfragen, im Akzeptieren unterschiedlicher Wahrnehmungen. Sie wächst mit jeder Begegnung, in der wir bereit sind, uns selbst und andere wirklich zu sehen. Beobachte dich selbst in deiner Kommunikation: Wie empathisch bist du?

